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mav, 09/2016
Produktivität verdoppelt, Auftrag erfüllt
September 2016

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Tiefbohren von Wärmetauscherböden mit Wendeplatten-Einlippenbohrern. Die Aufgabenstellung war auch für TBT Tiefbohrtechnik, einem süddeutschen Spezialisten für Tiefbohrmaschinen und -werkzeuge, eine nicht alltägliche Herausforderung: Es galt, rund 3500 Durchgangsbohrungen in zwei Wärmetauscherböden aus anspruchsvollem Edelstahl sehr schnell, prozesssicher und präzise einzubringen. Der Auftrag gelang dank des Einsatzes von Wendeschneidplatten-Einlippenbohrern.

Wärmetauscher spielen beim Übertragen von thermischer Energie eine große Rolle (Details:  siehe die separate Information). Bewährt haben sich dabei Rohrbündelwärmetauscher, in denen Wärmetauscherböden die Vielzahl von parallel angeordneten Rohren halten. Die besondere Funktionsweise und der Einsatz dieser speziellen Bauart stellen hohe Anforderungen an die Herstellung der Wärmetauscherböden: Die verwendeten metallischen Materialien müssen auf die sie durchströmenden Medien abgestimmt sein, damit keine chemischen Reaktionen auftreten. Wegen der hohen Betriebstemperaturen kommen warmfeste Komponenten zum Einsatz. Das erfordert eine sehr sorgfältige mechanische Bearbeitung mit verschleißfesten Werkzeugen, die für tiefe Durchgangsbohrungen ohne Spanbruchprobleme sorgen. Die Fügefläche zwischen Rohrboden und Rohren muss – auch bei über Jahrzehnte andauernden Temperaturschwankungen – dicht sein. Gefragt sind daher hochpräzise Bohrungen mit sehr gute Oberflächenquali-tät. Weil 25% des Bauteilvolumens zerspant wird, entsteht sehr viel Wärme im Bauteil, die dem Prozess mit entsprechend effektiven Kühlverfahren entzogen werden muss. Die Bohrtiefe be-trägt etwa das 10fache des Durchmessers: Konventionelle Bohrverfahren eignen sich daher in der Regel nicht für die Bearbeitung.

Tiefbohrverfahren sind hier besonders prädestiniert, weil sich mit ihnen prozesssicher tiefe Bohrungen mit hohen Zeitspanvolumina bohren lassen. Die Bohrungsqualität liegt außerdem weit über der von Kurzlochbohrern und die Prozesswärme lässt sich durch den prozessbedingt hohen Einsatz von Kühlschmierstoffen ideal abführen.

Die TBT Tiefbohrtechnik GmbH + Co. aus Dettingen/Erms erhielt im Spätherbst 2015 von einem Hersteller von Wärmetauschern den Auftrag, in rund zwei Arbeitswochen in zwei Wärmetauscherböden (Durchmesser: 1665 mm) jeweils 1752 Bohrungen einzubringen (Details: siehe Infokasten). Die Lohnbohrabteilung von TBT besitzt etwa 30 Tiefbohrmaschinen unterschiedlicher Bauformen und Abmessungen: Sie kann Bohrungen im Durchmesserbereich von 0,6 mm bis 70 mm mit maximalen Bohrtiefen von 1500 mm in einem Zug herstellen.

Statt der Bearbeitung auf einer mehrspindligen Tiefbohrmaschine kam wegen der kleinen Losgröße nur das Einlippenbohren auf einem einspindeligen Tiefbohr-Bearbeitungszentrum infrage. Bis vor kurzem hätte TBT einen konventionellen gelöteten Einlippen-Tiefbohrer eingesetzt. Doch wegen der knappen Zeitvorgaben entschied sich die Lohnbohrabteilung für ein Werkzeug aus der neuen Wendeschneidplatten-Einlippenbohrer-Familie Serie 10 von TBT. Die Werkzeuge ähneln beim Grundaufbau dem gelöteten Einlippenbohrer: Sie verfügen aber statt des Vollhartmetallkopfes über einen komplex ausgelegten Stahlgrundkörper, in den die für das Tiefbohren typischen Schneiden und Führungsleisten mit Klemmschrauben montiert sind. Diese soliden Stahlköpfe sind wiederum auf einen Stahlschaft aufgelötet, der über ein Spannelement in der Spindel der Maschine aufgenommen wird (Details: siehe auch „Technische Daten zum Wendeplatten-Einlippenbohrer“). Der Zerspanprozess lässt sich über unterschiedliche Schneidenausführungen an die Bearbeitungsaufgabe anpassen: Es hat sich bewährt, mit einem positiven Spanwinkel die Spanbildung zu verbessern und den Vorschub zu steigern.

Der Auftraggeber lieferte die beiden Wärmetauscherböden fertig gedreht an. Die TBT-Mitarbeiter achteten beim vertikalen Aufspannen auf den Spanntisch des Tiefbohr-Bearbeitungszentrums besonders auf eine steife Abstützung im oberen Teil des Werkstücks. Der Grund: Es treten hier die größten Kippmomente bei der Bearbeitung auf, die sich sowohl auf die Bohrungsqualität als auch auf die Standzeit des Werkzeugs negativ auswirken können. Wegen der knappen Zeitvorgaben entschieden sich die Mitarbeiter dafür, mit einer Vorschubgeschwindigkeit von mindestens 60 mm/min zu bohren. Auf diese Weise betrug die Zerspanungszeit pro Bauteil über 80 Stunden, bei Zweischichtbearbeitung also eine Woche plus Nebenzeiten.

Zu Beginn der Bearbeitung wurden vier Tests mit unterschiedlichen Schnittdaten durchgeführt (siehe auch: „Schnittdaten der vier Tests“). Die Span- und Freifläche der Schneide nach Test 1 (siehe die entsprechenden Bilder) zeigen deutlichen Kolkverschleiß auf der Spanfläche und teilweise Aufbauschneidenbildung (vc = 60 m/min, Vorschub f = 0,06 mm). Es trat starker Freiflächenverschleiß auf, der an der Schneidenecke bis auf eine Breite von vB, max = 0,5 mm stark ansteigt. In diesem Bereich ist auch eine plastische Schneidendeformation zu erkennen. Alles deutete daher auf eine zu hohe thermische Belastung der Schneide hin. Weil TBT die Vorschubgeschwindigkeit wegen der knappen Zeitvorgaben nicht reduzieren durfte, wurde schrittweise die Schnittgeschwindigkeit gesenkt und der Vorschub erhöht. Mit Erfolg, denn der vierte Test wies einen deutlich geringeren Verschleiß auf; eine plastische Deformation der Schneidenecke kam nicht mehr vor. Es tritt zwar ab und an noch eine leichte Abschieferung im Zentrumsbereich der Schneidkante auf. Sie lässt sich vermutlich auf eine Aufhärtung des Materials im Bohrungsgrund zurückführen, die den Prozess aber nicht negativ beeinflusst.

Die Lohnbohrabteilung bohrte beide Wärmetauscherböden komplett und problemlos mit den Parametern des vierten Tests. Die Bearbeitung mit dem Wendeschneidplatten-Bohrer startete auf halber Bauteilhöhe. TBT bohrte zunächst komplett eine horizontale Reihe mit rund 50 Bohrungen: Um die Wärmeverteilung in dem Bauteil konstant zu halten, folgten symmetrisch die Bohrungen der jeweils direkt darunter und darüber liegenden Reihe. Nach der Reihe wurde grundsätzlich die Wendeschneidplatte gedreht bzw. getauscht, um keinen Plattenbruch zu riskieren. Um einem Verschleiß der Führungsleisten vorzubeugen, wurden sie ebenfalls sicherheitshalber nach jeder zehnten Reihe gedreht oder ausgetauscht.  

Gelohnt hat sich alles in allem der Einsatz der Wendeschneid-Einlippenbohrer (Durchmesser: 19,3 mm, Gesamtlänge: 750 mm; Wendeschneidplatte: HM-Substrat P40 mit AlTiN-Monolayer-Beschichtung; Führungsleisten: HM-Substrat K10 mit TiN-Monolayer-Beschichtung, poliert; Werkzeugspannung: VDI-Stellhülse 25 x 112 mm). Aufgrund der positiven Erfahrungen mit diesem neuen Werkzeug ist sich TBT sicher, dass es künftig verstärkt zum Einsatz kommen wird. Es eignet sich generell für alle Tiefbohrungen, bei denen die Bohrtiefe mehr als das 10fache des Bohrungsdurchmessers ausmacht.

Für das Werkzeug spricht im Vergleich etwa zum konventionellen gelöteten Einlippenbohrer die einfachere Handhabung, denn man kann die Wendeschneidplatten und Führungsleisten in der Maschine innerhalb weniger Minuten austauschen. Der Anwender muss es außerdem nicht nachschleifen und er benötigt daher keine Ersatzwerkzeuge. Für das neue Konzept spricht aber vor allem die deutlich höhere Produktivität: In diesem Anwendungsfall hat sich die reine Bear-beitungszeit (ohne Nebenzeiten) etwa halbiert. Die Anschaffungskosten für das Werkzeug sind zudem nur rund 20 Prozent höher als die Investition in konventionelle Einlippenbohrer inklusive der erforderlichen Nachschliffe. Der Kundennutzen ist hoch: Er kann auch sehr zeitkritische Aufträge annehmen und diese mit hoher Präzision just-in-time erfüllen. Unterm Strich sinken sogar die Gesamtkosten, denn es entfällt die Notwendigkeit zum Bereithalten von Ersatzwerk-zeugen und die Anzahl an teuren Maschinenstunden reduziert sich deutlich (in diesem Fall sogar etwa um fast 50%).

Autor: Dr.-Ing. Thomas Bruchhaus, Verkaufsleiter Nord bei der TBT Tiefbohrtechnik GmbH + Co, Dettingen/Erms, www.tbt.de

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